Natürlich ist man nach einer langen Autofahrt wohl ähnlich begeisterungsfähig für die Eigenarten eines Ortes wie ein Seefahrer, der endlich mal wieder Land zu sehen bekommt.
Ändert das irgendwas daran, dass es wirklich sowas wie lokale Eigenarten gibt? Als erstes fällt einem nach dem Verlassen der Autobahn sicher die extreme Werbebelastung dieser Stadt auf. Während meine Heimatstadt eher versucht den erschöpften Autofahreren Informationen über ihre restliche Reiseroute zu geben, werden in Wien erstmal dutzende Restaurants, Hotels, Parks, Museen, Geschäfte und vieles mehr angepriesen. Diese an jeder Straßenlaterne befestigten DinA3 großen Schilder erinnern mich an Las Vegas - nur ohne die grellen Lichter, aber mit genausoviel Penetranz. Vielleicht hätte ich mich ja darauf einlassen sollen. Anstatt einen speziellen Ort aufzusuchen an dem man bekannte Gesichter vermutet, sollte man es - ganz konsumfreudig - doch mal mit dem 3-Sterne Hotel namens "Hotel Altmann" versuchen - nur 2 Kilometer entfernt, einfach nach links fahren. Diese ersten Eindrücke schwinden schnell. Man will ja lieber doch nicht sich in Hotel Altmann für 80 Euro die Nacht einquartieren, also Konzentration auf den Verkehr.
Hier beweist Wien seinen Weltstadtcharakter voll neurotischen Kleingeist. Folgende Szene aus der traurigen Wirklichkeit:
Ich glaube zu erahnen, dass ich die nächste Straße rechts abbiegen sollte, also versuche ich im zähen Verkehr die Spur zu wechseln.
Ich blinke
Sehe die Lücke
Möchte einfädeln
Die Vorderreifen rollen langsam auf die rechte Abbiegerspur
Doch
Ich habe keine Chance
Eine Frau mit zwei Kindern auf den Rücksitzen fährt an mir vorbei und zwingt mich zu bremsen. Ich sehe herüber, etwas missmutig und beleidigt - habe ich ihr wirklich zuviel Zeit stehlen wollen? Aber sie ignoriert mich. Dasselbe mit dem nachfolgenden Auto. Ein Yuppie (zu Erkennen an der Kombination Hemd, Pickel, Kravatte, Headset, unbequeme Sitzhaltung, Smart) zögert nicht genau dasselbe zu tun. Meine Ankunftsfreude trübt sich; dritter Versuch. Ein älterer Herr mit langem bis zum Bauchnabel gehenden weißen Bart hat auch kein Erbarmen. Wieso nur haben sie nicht wenigstens die Aufrichtigkeit ihre bewusste Verweigerung mir den Spurwechsel zu gönnen non-verbal zu bestätigen? Ich habe es daraufhin aufgegeben. Es war sinnlos! Die einzige Möglichkeit in Wien die Spur zu wechseln ist in eine mindestens 10 Meter große Lücke zu schlüpfen, möglichst mit Vollgas.
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